Geburtstagskonzert 2015

Geburtstagskonzert am 29.08.2015 in der Auferstehungskirche Schmalenbeck

Händel – Singe, Seele, Gott zum Preise

Singe, Seele, Gott zum Preise,
der auf solche weise Weise
alle Welt so herrlich schmückt.
Der uns durchs Gehör erquickt,
der uns durchs Gesicht entzückt,
wenn er Bäum‘ und Feld beblümet,
sei gepreiset, sei gerühmet.


Herzlich Willkommen zur Feier meines 50. Geburtstages. Ich bin sehr dankbar, dass ich diesen Tag erleben darf und dass so viele liebe Menschen mit mir feiern mögen. Zum Jahreswechsel 2015 hatte ich das Gefühl, dass sich mein Leben nach vielen unruhigen Jahren endlich stabilisiert und normalisiert. Daraus entstand das Bedürfnis, ein großes Fest zu veranstalten mit den vielen Menschen, die mir wichtig sind – und natürlich mit Musik!
Als ich meine Gästeliste zusammengetragen habe, wurde mir bewusst, wie reich mein Leben ist, wie sehr ich getragen bin durch die große Anzahl wunderbarer Menschen, die mir von frühester Kindheit an bis heute begegnet sind. Immer wieder habe ich zu Menschen spontan Nähe empfunden, die sich auch bei intensiverem Kennenlernen über viele Jahre als tragfähig erwiesen hat.
Euch allen möchte ich als Zeichen meiner Dankbarkeit und Verbundenheit zu meinem Geburtstag dieses Konzert schenken mit Kompositionen, die mir viel bedeuten und ich möchte ein wenig erzählen, warum das so ist.
Zu meiner großen Freude haben sich viele liebe Menschen bereit erklärt, mit mir zusammen zu musizieren, sodass wir Euch ein sehr abwechslungsreiches Programm bieten können.
Ich habe extra keinen Ablauf ausgeteilt, damit es ein wenig spannend bleibt, was Euch erwartet. Ihr alle dürft zwischendurch auch selbst singen, dafür habe ich am Eingang Liederzettel bereit gelegt.
Das erste gemeinsame Lied, mit welchem wir jetzt beginnen, stellt quasi das Motto des Abends vor: Dankbarkeit, ausgedrückt durch Gesang.

325 Sollt ich meinem Gott nicht singen 1,2,5,7

Ein chinesisches Sprichwort sagt: „Wenn ich einen grünen Zweig im Herzen trage, wird sich ein Singvogel darauf niederlassen.“

Musik hat mein Leben geprägt, erschüttert, erfüllt und gerettet, und mein Leben hat wiederum meine musikalische und stimmliche Entwicklung bestimmt. Ohne die Musik hätte ich nie sein können – ich musste einfach immer singen, bis zum letzten Tag meiner Schwangerschaften, kurz nach den Geburten meiner Kinder, als Christian krank war und nach seinem Tod, in schwierigen Lebensphasen und in Trennungszeiten.
Die Musik war und ist die ganz tiefe Quelle in mir, die mir Kraft gibt – das, was von mir übrig bleibt, wenn alles um mich herum zusammenbricht. In Lebenskrisen hat mir die Musik geholfen zu überleben, in musikalischen Krisenzeiten fühlte ich mich komplett hilflos und entwurzelt. Schwere und beglückende Erlebnisse haben sich unmittelbar oder allmählich auf meine Ausdrucksmöglichkeiten ausgewirkt.
Vor sechs Jahren ging es mir sehr schlecht, da hatte ich mit Tinnitus und Asthma zu kämpfen, konnte kein inneres Brennen für die Musik mehr spüren und war kurz davor, sie zu verlieren. Daher musste ich mein Leben noch einmal komplett umkrempeln, sonst hätte ich nicht gewusst, wie ich hätte weiterleben, woher ich meine Kraft hätte nehmen können.

H. Purcell – Music for a while (John Dryden)
Music for a while. Shall all your cares beguile: Wondering how your pains were eas’d. And disdaining to be pleas’d, Till Alecto free the dead. From their eternal bands, Till the snakes drop from her head, And the whip from out her hands.

Ich habe lange überlegt, was ich heute singen möchte. Es sind so viele unterschiedliche Menschen hier, die ich weder langweilen noch überfordern möchte.
Seit jeher suche ich meine Lieblingslieder nach der Klavierbegleitung aus. In den letzten Jahren haben aber die Texte immer mehr an Bedeutung gewonnen, daher singe ich heute die Lieder, die mich ganz besonders berührt haben, mit deren Texten ich ausdrücken kann, was ich Euch allen heute mitgeben möchte, wie in dem folgenden Lied.

Johannes Brahms – Wie Melodien (Klaus Groth)

Wie Melodien zieht es
Mir leise durch den Sinn,
Wie Frühlingsblumen blüht es
Und schwebt wie Duft dahin.

Doch kommt das Wort und faßt es
Und führt es vor das Aug’,
Wie Nebelgrau erblaßt es
Und schwindet wie ein Hauch.

Und dennoch ruht im Reime
Verborgen wohl ein Duft,
Den mild aus stillem Keime
Ein feuchtes Auge ruft.

„Und alle Zeit, die nicht mit dem Herzen wahrgenommen wird, ist so verloren wie die Farben eines Regenbogens für einen Blinden oder das Lied eines Vogels für einen Tauben.“ (M. Ende)

Im Allgemeinen gelte ich als schrecklich hektisch, aber „eigentlich“ brauche und genieße ich es sehr, wenn es um mich herum friedlich und still ist, nach dem Motto:
„Man muss nicht sein Tempo steigern, um mehr vom Leben zu haben (Gandhi)“

Jon Dowland – Time stands still

Time stands still with gazing on her face,
stand still and gaze for minutes, hours and years, to her give place:
All other things shall change, but she remains the same,
till heavens changed have their course and time hath lost his name.
Cupid doth hover up and down blinded with her fair eyes,
and fortune captive at her feet contem’d and conquered lies.

Fortune, love, and time attend on
Her with my fortunes, love, and time, I honour will alone,
If bloodless envy say, duty hath no desert.
Duty replies that envy knows herself his faithful heart,
My settled vows and spotless faith no fortune can remove,
Courage shall shew my inward faith, and faith shall try my love.


Ich empfinde mich und mein Leben als sehr reich, gemäß der Weisheit von Jean Guéhenno:
„Arm ist nicht der, der wenig hat, sondern der, der nie genug bekommen kann.“
Mich berühren immer wieder die kleinen, wertvollen Momente des Lebens, nicht der große Rausch oder die spektakulären Erlebnisse, sondern die vielen intensiven Begegnungen mit lieben Freunden, mein Alltag mit meinen wunderbaren Kindern Theresa und Mathis, deren Heranwachsen ich so intensiv erleben darf, die besonderen Menschen, die zu mir zum Unterricht kommen und die beglückenden Konzerte, mein gemütliches Haus und die vielen Wunder, die mein Garten mir rund um das Jahr beschert.
Ich könnte nicht glücklicher sein, wenn ich in einem Palast lebte oder weltweit unterwegs wäre – dann hätte ich wirklich das Gefühl, etwas zu verpassen!
Dazu hat Hugo Wolf das passende Lied geschrieben:

„Auch kleine Dinge“ aus dem Italienischen Liederbuch (Paul Heyse)
Auch kleine Dinge können uns entzücken,
Auch kleine Dinge können teuer sein.

Bedenkt, wie gern wir uns mit Perlen schmücken;
Sie werden schwer bezahlt und sind nur klein.
Bedenkt, wie klein ist die Olivenfrucht,
Und wird um ihre Güte doch gesucht.
Denkt an die Rose nur, wie klein sie ist,
Und duftet doch so lieblich, wie ihr wisst.

Der Komponist Wolfgang Andreas Schultz hat mich während meines Musikstudiums in Musiktheorie und Gehörbildung unterrichtet und hat das folgende Stück für Stimme allein, das heißt ohne Begleitung, für mich komponiert, nach einem Text von Dschelalledin Rumi, den Friedrich Rückert ins Deutsche übertragen hat. Dieses Stück habe ich in meiner Diplomprüfung 1993 gesungen.

Die Schöpfung ist zur Ruh gegangen
Die Schöpfung ist zur Ruh‘ gegangen, o wach in mir!

Es will der Schlaf auch mich befangen, o wach in mir!
Du Auge, das am Himmel wachet mit Sternenblick,
Wenn mir die Augen zugegangen, o wach in mir!
Du Licht, im Äther höher strahlend als Sonn‘ und Mond;
Wenn Sonn‘ und Mond ist ausgegangen, o wach in mir!
Wenn sich der Sinne Thor geschlossen der Außenwelt,
So lass die Seel‘ in sich nicht bangen, o wach in mir!
Lass nicht die Macht der Finsternisse, das Grau’n der Nacht
Sieg übers innre Licht erlangen, o wach in mir!
O lass im feuchten Hauch der Nächte, im Schattenduft
Nicht sprossen sündiges Verlangen, o wach in mir!
Lass aus dem Duft von Edens Zweigen in meinem Traum
Die Frucht des Lebens niederhangen o wach in mir!
O zeige mir, mich zu erquicken, im Traum das Werk
Geendet, das ich angefangen, o wach in mir!
In deinem Schoße will ich schlummern, bis neu mich weckt
Die Morgenröte deiner Wangen; o wach in mir!

„Tun zu können, was man gern tut, bedeutet Freiheit. Gern zu tun, was man tut, bedeutet Glück.“ (Thoreau)

Egal was mir in meinem Leben begegnet ist, ich hatte neben dem, was nicht leicht war, immer auch sehr viele Gründe, dankbar zu sein – es war mir immer wichtig, ein offenes Herz für die glücklichen Augenblicke zu behalten.
Glück und Dankbarkeit drückt auch die folgende Arie aus, die ich erstmals in meiner Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule 1986 gesungen habe:

Laudamus te aus der c-moll-Messe von Mozart
Laudamus te, Wir loben Dich,

benedicimus te, wir preisen Dich,
adoramus te, wir beten Dich an,
glorificamus te wir rühmen Dich.

Art Garfunkel hat in einem Interview gesagt, er empfinde das Leben wie einen Tag von morgens um 7 bis abends um 21 Uhr. Wenn man 84 Lebensjahre rechnet, umfasst jede Stunde 6 Jahre, jedes Jahr ist also so lang wie 10 Minuten – damit ist es in meinem Leben jetzt 15.20 Uhr – die größte Hitze ist vorbei, ein großer Teil des Tagwerks ist getan, jetzt beginnt der Nachmittag und es gibt hoffentlich noch einige schöne Stunden bis zum Abend. Und jetzt singe ich mir selbst ein Geburtstagsständchen:

Ode zum Geburtstag der Queen Mary von G.F. Händel
Eternal source of light divine

With double warmth Thy beams display
And with distinguished glory shine

To add a lustre to this day

„Den Garten des Paradieses betreten wir nicht mit den Füßen, sondern mit dem Herzen.“ (Bernhard von Clervaux)

Das folgende Lied dürfen wieder alle mitsingen, darin geht es um Achtsamkeit und Dankbarkeit für das, was
uns geschenkt ist:

432 Gott gab uns Atem (Eckart Bücken 1982)

„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ (Vaclav Havel)

Auch, wenn ich so manches Mal in Lebenssituationen gesteckt habe, die ich mir ganz anders gewünscht hätte, gab es immer wieder wunderbare Fügungen, habe ich mich doch sehr getragen gefühlt. Ich hatte immer liebe Menschen an meiner Seite, die mich unterstützt haben, die ein offenes Herz und ein offenes Ohr für mich hatten und die mich und meine Kinder liebevoll und zupackend begleitet haben. Dafür bin ich sehr dankbar! Für diese lieben Menschen, also für Euch alle, möchte ich das folgende Lied singen:

Wagner – Der Engel (Mathilde Wesendonk)

In der Kindheit frühen Tagen
Hört ich oft von Engeln sagen,

Die des Himmels hehre Wonne
Tauschen mit der Erdensonne,

Daß, wo bang ein Herz in Sorgen
Schmachtet vor der Welt verborgen,
Daß, wo still es will verbluten,
Und vergehn in Tränenfluten,

Daß, wo brünstig sein Gebet
Einzig um Erlösung fleht,
Da der Engel niederschwebt,
Und es sanft gen Himmel hebt.

Ja, es stieg auch mir ein Engel nieder,
Und auf leuchtendem Gefieder
Führt er, ferne jedem Schmerz,
Meinen Geist nun himmelwärts!


„Glück ist nicht eine Station, wo man ankommt, sondern eine Art zu reisen.“ (M.L. Runbeck)
Wie Ihr alle wisst, bin ich nie aus Hamburg heraus gekommen, trotzdem ist mein Leben intensiv und reich, ich kann mich nicht über Mangel an Erlebnissen und Begegnungen beklagen. Deshalb identifiziere ich mich mit dem folgenden Zitat von Laotse:
„Ohne aus der Tür zu treten, kannst du die Wege der Welt kennen. Ohne aus dem Fenster zu schauen, kannst du die Wege des Himmels kennen. Je weiter du gehst, desto weniger weißt du.“

Wolf – Verborgenheit (Mörike)

Laß, o Welt, o laß mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
Laßt dies Herz alleine haben
Seine Wonne, seine Pein!

Was ich traure weiß ich nicht,
Es ein unbekanntes Wehe;
Immerdar durch Tränen sehe
Ich der Sonne liebes Licht.

Oft bin ich mir kaum bewußt,
Und die helle Freude zücket
Durch die Schwere, so mich drücket
Wonniglich in meiner Brust.

Laß, o Welt, o laß mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
Laßt dies Herz alleine haben
Seine Wonne, seine Pein!

„Die wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen.“ (Pearl S.Buck)

Nichts im Leben ist selbstverständlich, wir haben auf nichts Anspruch, nicht einmal auf unser Leben.
Ich bin jeden Tag dankbar für meine Gesundheit, das soll jetzt keine Predigt werden, aber es ist doch in jedem Augenblick ein Wunder, dass der menschliche Körper funktioniert, dass wir mit allen Sinnen leben können und hoffentlich gut mit uns und unseren Lieben umgehen.
Ich bin so dankbar, 50 Jahre alt zu werden, weil mir in jedem Augenblick bewusst ist, dass es viele Menschen gibt, die dieses Alter nicht erreichen durften – da denke ich natürlich an Christian, aber auch an Knut Hasselmann, an Oskar, Emilia und Jörg und an viele andere, die bestimmt gern ein paar Falten und graue Haare in Kauf genommen hätten, wenn sie hätten weiterleben dürfen.
Für diese Menschen singe ich das folgende Lied von Johannes Brahms – das Gedicht von Heinrich Heine beschreibt den Tod als erholsamen Schlaf, in welchen der Gesang der Nachtigall hineinklingt. Der Schläfer hört noch im Traum, also im Tod das Lied der Nachtigall, die von Liebe singt, die Liebe überwindet den Tod.

J. Brahms – Der Tod, das ist die kühle Nacht (Heinrich Heine)

Der Tod, das ist die kühle Nacht,
Das Leben ist der schwüle Tag.
Es dunkelt schon, mich schläfert,
Der Tag hat mich müd gemacht.
Über mein Bett erhebt sich ein Baum,
Drin singt die junge Nachtigall;
Sie singt von lauter Liebe –
Ich hör es sogar im Traum.


„Gebeugt erst zeigt der Bogen seine Kraft.“ (Grillparzer)

Ich bin sehr dankbar, dass ich so viel Kraft habe, die habe ich in den letzten 19 Jahren auch gebraucht …
Ich komme jetzt zu einigen dunklen Punkten in meinem Leben.
Einer davon ist die Tatsache, dass ich in Prüfungen und bei Vorsingen immer schlecht gesungen habe. Ich kann also keine Erfolge bei Wettbewerben oder Auszeichnungen irgendwelcher Art vorweisen. Ich möchte mit Musik nichts beweisen und auch nicht mit Kollegen in Konkurrenz treten. Das würde ja bedeuten „höher, schneller oder lauter“ sein zu wollen – oder wer will messen, wer „schöner“ singt?
Mein Wunsch ist es, mit Hilfe meiner Stimme mit Menschen in Verbindung zu treten: mit den Musizierenden, den Dirigenten, den Sängern, den Instrumentalisten, den Zuhörern – die möchte ich mit der Musik und den Texten, die ich singe, berühren. Wenn mir das gelingt, bin ich glücklich und erfüllt, das geht aber nicht „gegen“ jemand Anders oder in Situationen, in denen jemand nur darauf wartet, dass ich etwas falsch mache oder meine hohen Töne nicht bekomme.
Ich bin in jedem Augenblick Sängerin, bin mit Körper, Geist und Seele mein Instrument – das ist nicht zu trennen. Daher trifft Kritik jedes Mal mich persönlich, ist jedes Lob, jede Anerkennung ein Zeichen von Verbundenheit. Die Komplimente, die mich am tiefsten berührten, zielten in diese Richtung: „Es singt in Ihnen“ oder auch „Wenn man dich singen hört, kommt man dir näher“.
Ich habe viele Jahre gesucht, um so singen zu können, wie ich es mir vorstelle, bin von einer Krise in die nächste gestolpert und habe schmerzhaft lernen müssen, dass ich nicht alles singen kann – und dass ich auch gar nicht alles singen MUSS.
Jetzt verrate ich Euch etwas: Eigentlich kann ich gar nicht singen,
das haben nur Viele noch nicht gemerkt und ich bin stolz, dass ich mich nun schon seit 30 Jahren mehr oder weniger erfolgreich „durchgemogelt“ habe, aber ich werde hoffentlich nie aufhören, zu suchen (und vielleicht lernen es ja meine Schüler).

Mahler – Lob des hohen Verstandes (Des Knaben Wunderhorn)

Einstmals in einem tiefen Tal
Kukuk und Nachtigall
Täten ein Wett‘ anschlagen:
Zu singen um das Meisterstück,
Gewinn‘ es Kunst, gewinn‘ es Glück:
Dank soll er davon tragen.

Der Kukuk sprach: „So dir’s gefällt,
Hab‘ ich den Richter wählt“,
Unt tät gleich den Esel ernennen.
„Denn weil er hat zwei Ohren gross,
So kann er hören desto bos
Und, was recht ist, kennen!“

Sie flogen vor den Richter bald.
Wie dem die Sache ward erzählt,
Schuf er, sie sollten singen.
Die Nachtigall sang lieblich aus!
Der Esel sprach: „Du machst mir’s kraus!
Du machst mir’s kraus! I-ja! I-ja!
Ich kann’s in Kopf nicht bringen!“

Der Kukuk drauf fing an geschwind
Sein Sang durch Terz und Quart und Quint.
Dem Esel g’fiels, er sprach nur
„Wart! Wart! Wart! Dein Urteil will ich sprechen,

Wohl sungen hast du, Nachtigall!
Aber Kukuk, singst gut Choral!
Und hältst den Takt fein innen!
Das sprech‘ ich nach mein‘ hoh’n Verstand!
Und kost‘ es gleich ein ganzes Land,
So lass ich’s dich gewinnen!“
Kukuk, kukuk! I-ja!

Ein weiterer dunkler Punkt ist mein Privatleben der letzten 20 Jahre – mein Motto ist:

„Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, mach Pläne!“ (Blaise Pascal)

Einmal hatten wir alles perfekt geplant, den Weg zur Verbeamtung, die Hochzeit und das Wunschkind, das unser Leben so erfüllt und bereichert hat. Zwei Jahre später war Christian tot.
Als ich acht Jahre danach wieder schwanger wurde, war das auch ein inniger Wunsch, aber gar nicht richtig durchdacht. Mein Freund und Schüler Gottfried sprach von einem „Kamikaze-Unternehmen“, das ja dann leider auch spektakulär gescheitert ist. Aber ich bin unendlich glücklich, dass es meinen Sohn gibt und werde seinem Papa dafür immer dankbar sein.
Das Singen zeichnet sich ja dadurch aus, dass wir Sänger Texte ausdrücken. Je länger man lebt, desto häufiger hat man die in den Texten beschriebenen Erfahrungen auch schon gemacht. Wenn die Erfahrungen zu nah, zu frisch sind, ist es schwer, dementsprechende Texte zu singen wie Frauenliebe und -leben, das Brahms-Requiem „Ihr habt nun Traurigkeit“ oder Hugo Wolf – „geh zu dem Liebchen, das dir mehr gefällt“. Wenn die Erlebnisse sich gesetzt haben, dann kann man die betreffenden Texte hoffentlich souverän präsentieren. Das ist vermutlich das Geheimnis des „reifen Künstlers“.
Als ich vor zwei Jahren einen Abend mit Schlagern der 20er Jahre sang, steckte ich gerade mitten in einer heiklen Situation, da habe ich lange überlegt, ob ich wagen sollte, das folgende Lied zu präsentieren, das mir heute einfach Spaß macht:

Lothar Brühne – Kann denn Liebe Sünde sein? (Bruno Balz)
Jeder kleine Spießer macht
das Leben mir zur Qual,
denn er spricht nur immer von Moral.
Und was er auch denkt und tut,
man merkt ihm leider an,
dass er niemand glücklich sehen kann.
Sagt er dann: Zu meiner Zeit

gab es so was nicht!
Frag‘ ich voll Bescheidenheit
mit lächelndem Gesicht:

Kann denn Liebe Sünde sein?
Darf es niemand wissen,
wenn man sich küsst,
wenn man einmal alles vergisst,
vor Glück?

Kann das wirklich Sünde sein,
wenn man immerzu an einen nur denkt,
wenn man einmal alles ihm schenkt,
vor Glück? Niemals werde ich bereuen,
was ich tat,
und was aus Liebe geschah,
das müsst ihr mir schon verzeihen,
dazu ist sie ja da!
Liebe kann nicht Sünde sein,
doch wenn sie es wär‘
dann wär’s mir egal –
lieber will ich sündigen mal,
als ohne Liebe sein!


Was die Welt auch spricht von mir,
das ist mir einerlei.
Ich bleib‘ immer nur der Liebe treu!
Ach, die Frau’n, die so viel spotten,
tun mir höchstens leid;
meine Damen, bitte, nur kein Neid!
Keine Frau bleibt doch immun,
wenn ein Mann sie küsst;
jede würd‘ es gerne tun,
wenn’s auch verboten ist!

Kann denn Liebe Sünde sein…

Das nächste Lied habe ich erstmals in meiner Abschlussprüfung 1993 gesungen, es ist eines der Lieder, die ich aus meinem Repertoire immer abwechselnd gestrichen und dann doch wieder aufgenommen habe – hoffentlich passt es jetzt endlich:

Jon Kander – Maybe this time (Fred Ebb)

Maybe this time, I’ll be lucky
Maybe this time, He’ll stay
Maybe this time
For the first time
Love won’t hurry away
He will hold me fast
I’ll be home at last
Not a loser anymore
Like the last time
And the time before
Everybody loves a winner
So nobody loves me
‚Lady Peaceful, ‚ ‚Lady Happy, ‚
That’s what I long to be
All the odds are in my favor
Something’s bound to begin,
It’s got to happen, happen sometime
Maybe this time I’ll win.

Das wäre jetzt ein prima Bravo-Schluss, ein Happy End sozusagen, aber so möchte ich nicht aufhören, ich hoffe, Ihr habt noch ein wenig Geduld, es kommen noch einige echte Highlights und noch einige ganz besondere Gäste!

Den Showdown möchte ich ohne weitere Kommentare durchlaufen lassen, daher an dieser Stelle die Ankündigung der letzten Stücke: Wir beginnen mit einem gemeinsamen Lied.

369 Wer nur den lieben Gott lässt walten 1,2,3,7

Dann folgt der größte aller Komponisten, auf den ich heute auf keinen Fall verzichten möchte.

Bach – Was Gott tut, das ist wohl getan

Was Gott tut, das ist wohlgetan,

Er wird mich wohl bedenken;
Er, als mein Arzt und Wundermann,
Wird mir nicht Gift einschenken
Vor Arzenei. Gott ist getreu,
Drum will ich auf ihn bauen
Und seiner Gnade trauen.

Einer der schönsten Texte der Welt in einer der schönsten Vertonungen der Welt ist der Psalm 91: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen“.
Ich freue mich sehr, dass ich dieses wunderbare Stück heute mit Menschen singen darf, denen ich mich sehr verbunden fühle.

Mendelssohn – Denn er hat seinen Engeln befohlen (Psalm 91)

Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.

Eine Schülerin hat einmal erzählt, dass sie Augenblicke sammelt, die kurz bevor sie stirbt vor ihrem inneren Auge ablaufen könnten.
Für mich war einer dieser besonderen Momente das Ave Maria von Caccini auf der Michel-Chorreise in Rom vor 6 Jahren, das mir seitdem viel bedeutet. Ich bin sehr dankbar, dass Manuel Gera heute hier ist, um sozusagen „unser Lied“ mit mir zu musizieren!

Caccini / Vavilov (1925-1973)

Vor zehn Jahren habe ich in einem Kloster in der Nähe von Aachen gesungen. Mit dem Abt dieses Klosters verbindet mich seitdem eine tiefe Freundschaft, und es ist eine unendliche Freude, dass Adrian von weit her genommen ist, um heute bei uns zu sein und einen Segen zu sprechen. Anschließend möchte ich mit Euch allen zusammen den Irischen Reisesegen singen.

Wie Euch vielleicht aufgefallen ist, sind es vor allem zwei Begriffe, die mir besonders wichtig sind – Glück und Dankbarkeit!
Ich bin jetzt sehr glücklich und möchte an dieser Stelle noch einmal allen danken, die mit mir zusammen dieses Konzert gestaltet haben! Damit habt Ihr mir einen Herzenswunsch erfüllt und eine große Freude gemacht, ich werde sehr lange davon zehren können! Ganz lieben Dank denen, die geholfen haben, dieses Fest vorzubereiten und aufzubauen und vielen Dank allen fleißigen Köchen und Bäckerinnen. Ich denke, wir alle können uns schon auf das freuen, was uns im Anschluss an dieses Konzert noch erwartet! Und Euch allen ein ganz herzliches Dankeschön, dass Ihr mir so lange zugehört habt!

Irischer Reisesegen

Mögen sich die Wege vor deinen Füßen ebnen,
mögest du den Wind im Rücken haben.


Und bis wir uns wiederseh’n,
und bis wir uns wiederseh’n
möge Gott seine schützende Hand
über dir halten.

Möge warm die Sonne auch dein Gesicht bescheinen,
Regen sanft auf deine Felder fallen.

Und bis wir uns wiederseh’n…

„Tausend Kerzen kann man am Licht einer Kerze anzünden, ohne dass ihr Licht schwächer wird. Freude nimmt nicht ab, wenn sie geteilt wird.“ (Buddha)
In diesem Konzert haben wir alle sehr viel Freude miteinander geteilt und werden hoffentlich im Laufe des Abends noch viele wunderbare Momente miteinander teilen!

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