Schöne Fremde

Es rauschen die Wipfel und schauern,
Als machten zu dieser Stund
Um die halbversunkenen Mauern
Die alten Götter die Rund.

Hier hinter den Myrtenbäumen
In heimlich dämmernder Pracht,
Was sprichst du wirr wie in Träumen
Zu mir, phantastische Nacht?

Es funkeln auf mich alle Sterne
Mit glühendem Liebesblick,
Es redet trunken die Ferne
Wie von künftigem, großem Glück.

Die Fremde nicht als Ort der Heimatferne oder Einsamkeit, sondern als Stätte der Hoffnung, als vielversprechendes Ziel der Sehnsucht, der Traum „von künftigem, großem Glück“.
Die Myrte als Zeichen der Aphrodite, der altgriechischen Göttin der Liebe und Schönheit; der Myrtenkranz als Hochzeitsschmuck, aber auch als Symbol der beständigen, über den Tod hinausgehenden Liebe. Noch ist das Bild undeutlich, hat die junge Braut nur eine sehr vage Vorstellung davon, was sie erwartet.
Die Sterne, den nächtliche Wald und den Wind in den Bäumen deutet die Sängerin als Vorzeichen. Sie bezieht die alltäglichen Naturphänomene auf sich, alles empfindet sie als gutes Omen für den großen Tag, der den Auftakt bilden soll zu einem langen, erfüllten, glücklichen Leben an der Seite ihres Geliebten.

Jeder Tag bringt uns das Glück eines neuen Anfangs.
Wer ist glücklich, was ist Glück, was erfüllt das Leben nachhaltig?
Unter der Überschrift „Was mein Leben reicher macht“ schildern Leser meiner Lieblingszeitung immer wieder Naturerlebnisse und besondere Momente mit Freunden, Partnern, Kindern oder Eltern, aber auch unerwartet berührende Begegnungen mit Unbekannten, Abschiede und Sich-Wiederfinden, und große Sorgen, die bewältigt sind.

Tausend Kerzen kann man am Licht einer Kerze anzünden, ohne dass ihr Licht
schwächer wird. Freude nimmt nicht ab, wenn sie geteilt wird. (Buddha)

Glück – das sind tiefe menschliche Beziehungen und intensive Begegnungen: Verbundenheit, Nähe, Innigkeit, Zärtlichkeit, Wärme, Vertrautheit, Verständnis, gemeinsam Lachen und Weinen, das gesamte emotionale Spektrum erleben und teilen, sich angenommen fühlen und Andere annehmen, gebraucht werden, Halt geben und sich anlehnen können,

Arm ist nicht der, der wenig hat, sondern der, der nie genug bekommen kann.
Das Wort „Demut“ ist vermutlich unter die „Ausgestorbenen Wörter“ gefallen, gibt es noch „Bescheidenheit“?
Ungestillte Wünsche gibt es immer. Wer neidisch veranlagt ist, sieht überall Reichere, Mächtigere, Schönere, Beliebtere, Gesündere, vermeintlich Glücklichere.

Der unzufriedene Mensch findet keinen bequemen Stuhl.
Glück ist nicht das Ergebnis zufriedenstellender äußerer Bedingungen. Glück ist auch nicht eine endlose Kette spektakulärer Momente wie Verliebtheit, Geburten, Erfolg, spannende Reisen oder große Feste sie bieten, es ist auch nicht die Summe aller erfüllten Wünsche.

Ohne aus der Tür zu treten, kannst du die Wege der Welt kennen.
Ohne aus dem Fenster zu schauen, kannst du die Wege des Himmels kennen.
Je weiter du gehst, desto weniger weißt du (Laotse).

Hier und Jetzt – an jedem Ort, zu jeder Zeit – zu Hause, bei der Arbeit oder auf Reisen, beim Staubsaugen, beim Einkaufen oder beim Wandern, beim Warten auf die Bahn, in eiligen Momenten oder beim Müßiggang am Strand, allein, im Gedränge oder zu zweit – wir nehmen uns immer mit. Was wir an Zufriedenheit oder Romantik nicht mitbringen, das finden wir auch nicht an spektakulären Orten, mit aufregenden neuen Eroberungen oder luxuriösen Erwerbungen.

Das Gegenteil von Glücklichsein ist, etwas zu wollen.
Glück bedeutet auch: Eins-sein mit sich, sich selbst genügen, sich versenken in Musik, ein Buch, ein Bild, aufgehen in der Natur, selbstvergessen im Moment leben, Vergangenes schätzen, ohne es zu verklären, langfristig denken, das Leben als Ganzes wahrnehmen, sich auf Morgen freuen, ohne das Heute zu missachten.

Die wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen. (Pearl S. Buck)
Glück hat mit der Fähigkeit zu tun, mit allen Sinnen die kleinen Augenblicke wahrzunehmen – Rosenblüten im Januar, ein Schwarm Wacholderdrosseln, der über die letzten faulen Äpfel herfällt, das Wiedererwachen der Farben, der erste Winterling, Blausternchen, Perlhyazinthen und die kleinen Osterglocken, dann endlich eine rote Tulpe, Frühlingssonne, die durch das hellgrüne Blätterdach leuchtet, vom Gezwitscher der Vögel geweckt werden, der Duft von gelben Azaleen und Hyazinthen, von gehäckseltem Holz und frisch gemähtem Rasen, nach tiefem Schlaf erholt aufwachen, die Stille in der Frühe, wenn alle noch schlafen, Laufen in der Morgensonne, Tassenklappern auf der Terrasse, Frühstück im Freien, das Getöse der Bienen in blühenden Bäumen, dicke Hummeln, die sich in kleine Blüten quetschen und rückwärts wieder herauskriechen, ein tapferes Rotkehlchen, in der Zeitungsrolle brütend, sieben winzige Küken, die auf mein trügerisches Zwitscher-Kommando ihre überdimensionalen Schnäbel recken, größer und schlauer werden, sich nicht mehr hereinlegen lassen und plötzlich fort sind.
Durch die Zweige der Trauerweiden rudern, Libellen, Seerosen, Wasserläufer, der staubige Geruch der ersten Tropfen nach langer Trockenheit, die Spuren der Regentropfen an der Fensterscheibe, die sich wie kleine gefräßige Schlangen ihren Weg abwärts bahnen und unterwegs nach links und rechts schnappen, um auch noch andere Tropfen mitzunehmen, das Prasseln auf dem Dach des Wohnwagens, durchnässt ankommen, die nasse Kleidung fallen lassen, unter die warme Decke auf der vorbereiteten Liege im Vorzelt schlüpfen und Kakao trinken, der Geruch von angebrannten Grillwürstchen, Kinder bis spät abends draußen spielen hören.
Das Sonnenlicht wird golden, Vorahnung des Herbstes im Spätsommer, Morgennebel, Wanderung im Regen, sich gegen den Nordseewind stemmen, die Haut von der salzigen Luft gespannt, die Haare verkrustet, dicke Socken und Gummistiefel, eine warme Dusche, wohlriechende Lotionen, Carokaffee mit viel Milchschaum, ein Haus betreten, das nach frisch gebackenem Kuchen duftet, knuspriges Brot und Käse, ein Glas Rotwein im Kerzenschein, eine einzige köstliche Praline, ins frisch bezogene Bett steigen.
In erleuchtete Fenster schauen, Laternen vor dem Haus, Abendspaziergang im ersten Schnee, gedämpfte Geräusche, die Stille durchbrochen von geschäftigem Schippen, Schlittschuhlaufen auf der gefrorenen Alster, mit Walkman und Samba, die sich im Eis spiegelnde Sonne, ein breiter Lichtstreifen, der mich zu verfolgen scheint.
Singen im Michel, das erste zahnlose Kinderlächeln, der nächtliche Tritt eines kleinen Fußes, trösten können, warme Blicke und liebevolle Berührungen, intensive Gespräche, in alten Briefen stöbern, sich in ein Buch versenken, sich von Musik ergreifen lassen. Ein Fünfzehnjähriger, der seiner gleichaltrigen Klassenkameradin die Haare bürstet und flicht, zwei alte Damen auf dem Balkon, die Gläser mit kleinen Papierschirmchen dekoriert, ein krummes, grauhaariges Paar, das sich an den Händen hält.

Tun zu können, was man gern tut, bedeutet Freiheit.
Gern zu tun, was man tun muss, bedeutet Glück. (Thoreau)
Es gibt Dinge, die wir tun müssen. Darüber zu jammern oder uns zu ärgern, nützt gar nichts – wir müssen sie trotzdem erledigen. Glück bedeutet, am Ende eines Tages, eines Jahres, eines Lebens sagen zu können: Es hat mich viel Kraft gekostet, aber das habe ich geschafft, das habe ich gegeben, diese Menschen habe ich glücklich machen können.

Glück ist eine Überwindungsprämie.
Glücklich sein heißt, sich dem Leben stellen mit allem, was dazu gehört. Kurzfristig mag es angenehm sein, sich gehen zu lassen – langfristig ist es zielführender, unsere Bequemlichkeit zu überwinden. Unser Körper ist ein Wunder! Wir müssen ihm in jedem Augenblick dankbar sein und ihn gut behandeln. Leider wird vielen ihre Gesundheit erst wichtig, wenn sie bedroht ist oder Körperfunktionen nachlassen.
Von Blinden, Rollstuhlfahrern, alten Menschen und Menschen mit schweren Schicksalen können wir lernen, wie es ihnen gelingt, ein reiches Leben zu führen.

Glück ist nicht eine Station, wo man ankommt, sondern eine Art zu reisen.
Glück ist eine Betrachtungsweise: Dankbarkeit für scheinbar Selbstverständliches – für ungestörte Nachtruhe und Freiheit von Schmerzen, für das Sehen und Hören, für die Bewegung des kleinen Zehs, für das Lachen, für eine geheizte Wohnung, für ein Leben in Frieden, in Sicherheit und Wohlstand in unserem wunderbaren Land.
Nach dem Zustand, den wir heute beklagen, werden wir uns noch zurücksehnen!

Nichts von dem, was ich tue, berechtigt mich dazu, mich satt zu essen. (Brecht)
Glück ist die Fähigkeit, zu erkennen, dass wir auf nichts Anspruch haben, nicht einmal auf unser Leben. Die Gabe, uns nicht zu wichtig zu nehmen, die Kraft, Niederlagen zu verarbeiten, Misserfolge zu ertragen, über uns selbst lachen zu können, anderen Fehler zu verzeihen, die eigenen Möglichkeiten, aber auch Grenzen einschätzen zu können, Ziele zu verfolgen und zu genießen, diese erreicht zu haben.

Glücklichsein muss man üben wie Geige spielen.
Glück heißt, Anderen ihr Glück zu gönnen, sich aufrichtig mitzufreuen, neidlos anzuerkennen, dass es Menschen gibt, die „mehr“ haben oder können, auch, den Neid und die Missgunst Anderer auszuhalten.
Die klassische Geschichte – ein Mensch klagt, dass er keine Schuhe hat, bis er jemandem ohne Beine begegnet.

Sei glücklich, das ärgert sie am meisten – die trotzige Variante des Glückes.

Man muss nicht sein Tempo steigern, um mehr vom Leben zu haben.
Glück ist, nicht „Spaß“ oder Rausch zu suchen, sondern tiefe Freude an den einfachen Dingen des Lebens zu spüren.
Glück ist, sogar in schweren Zeiten Gründe für Dankbarkeit zu finden.
Vielleicht entsteht die Fähigkeit zum Glücklichsein erst durch das Bewusstsein der Vergänglichkeit.

Wenn man bis zum Hals im Wasser steht, sollte man den Kopf nicht hängen lassen.
Alter, Krankheit und Tod sind Bestandteil des Lebens. Es gibt unvorstellbar schreckliche Katastrophen, und es kann immer noch schlimmer kommen. Vorsicht und Vorsorge sind wichtig, aber Angst verhindert kein Unglück. Und wenn etwas passiert, findet sich immer Hilfe, vielleicht sogar von ganz unerwarteter Seite, und man findet auch die nötige Kraft, mit dem Schicksalsschlag fertig zu werden.

Gebeugt erst zeigt der Bogen seine Kraft.
Wenigen Menschen gelingt es, in schweren Lebenssituationen nicht zu verzweifeln und trotz ihres eigenen Leidens sogar noch Anderen zuzuhören und ihnen Halt und Kraft zu geben.
Glück ist die Fähigkeit, sich selbst und seine Bedürfnisse auch einmal zurückzunehmen. Immer gibt es Menschen, denen es noch schlechter geht. Immer kann es noch schlimmer kommen. Immer können wir dankbar sein, dass es uns besser geht als vielen anderen, meistens ohne unser Zutun.

Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit,
dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht (Vaclav Havel).

Glücklich bist du, wenn du das Leben als Ganzes sehen kannst, wenn es dir gelingt, gut mit dir und den Menschen umzugehen, im Moment zu leben und gleichzeitig langfristig zu denken, Genuss aus dem zu ziehen, was dir und deinen Lieben wirklich gut tut. Glück ist die Fähigkeit zum „Trotzdem“, die Gabe, das Leben in jedem Moment, mit allem, was dazu gehört als Geschenk zu betrachten.

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