Auf einer Burg

Eingeschlafen auf der Lauer
Oben ist der alte Ritter;
Drüber gehen Regenschauer,
Und der Wald rauscht durch das Gitter.

Eingewachsen Bart und Haare
Und versteinert Brust und Krause,
Sitzt er viele hundert Jahre
Oben in der stillen Klause.

Draußen ist es still‘ und friedlich,
Alle sind ins Tal gezogen,
Waldesvögel einsam singen
In den leeren Fensterbogen.

Eine Hochzeit fährt da unten
Auf dem Rhein im Sonnenscheine,
Musikanten spielen munter,
Und die schöne Braut, die weinet.

Ein seltsames Gedicht, rätselhaft und bedeutungsschwanger, wie passen die Bilder zusammen?

Der alte Ritter oben auf dem Berg – Statue, Skelett oder stiller Beobachter?
Und die Braut unten auf dem Hochzeitsschiff, weint sie vor Rührung, wurde sie gegen ihren Willen verschachert oder spürt sie die Vergänglichkeit des Augenblicks?

Der Gegensatz von Tod und Leben, Alter und Jugend, Gruselfigur und Schönheit, Vergangenheit und Zukunft, Trauer und Freude, Abgeschiedenheit und Geselligkeit, Regenschauer und Sonnenschein, Stillstand und Bewegung, Stille und Musik.

Klischees werden gebrochen – den singenden Vögeln wird Einsamkeit, der Braut werden Tränen angedichtet, das Leben zieht so unaufhaltsam vorbei wie das Schiff mit der munteren Hochzeitsgesellschaft.

Ist der Hochzeitstag der schönste Tag des Lebens, der Auftakt einer innigen, glücklichen, jahrzehntelangen Lebensgemeinschaft oder der Anfang vom Ende?

Wurde der Ritter als Denkmal verewigt oder ohne Begräbnis vergessen? Was bleibt nach hunderten von Jahren?

Was bleibt von uns

Wie bewertet man eine (künstlerische) Karriere

Ist Erfolg messbar

Welche Kriterien legt man an

Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Bewertung gekommen

Wer einen Lebenslauf hat, braucht keinen, wer einen Lebenslauf braucht, hat keinen.

Man wünscht sich objektive Bestätigung für die eigene Qualität, liebt greifbare, messbare, dauerhafte Nachweise und Bescheinigungen wie Diplome, Stipendien oder ein „Konzertexamen mit Auszeichnung“ – aber wie lange trägt das?

Du kannst Preise aus Wettbewerben einheimsen, CD-Produktionen und Fernsehauftritte erwähnen, renommierte Agenturen beschäftigen, zahllose Orte, Länder und Kontinente nennen, an welchen du aufgetreten bist, die Kultstätten der abendländischen Musikkultur wie Salzburg, die Met oder die Scala, du kannst dich mit den Namen großer Interpreten, Dirigenten oder Orchester schmücken. Richtig berühmt bist du, wenn dein eigener Name in Lebensläufen Anderer genannt wird.

Die Anzahl der Engagements und die Höhe der Gage sind messbar. Wer ununterbrochen unterwegs ist und viel verdient, hat vermutlich Karriere gemacht, wer Arenen mit tausenden von Zuschauern füllt, kann mit seinem Erfolg zufrieden sein.

Oder ist wahre Kunst exklusiv, nur einem kleinen, erlesenen Kreis von Kennern zugänglich

Muss der echte Künstler von der Welt unverstanden bleiben

Wirkt er nur im Verborgenen

Wie nachhaltig ist eine Karriere

Hast du das „Glück“, schnell Erfolg zu haben

Kannst du dich dann bewähren

Wirst du den Anforderungen des Kunstbetriebes dauerhaft gerecht

Schaffst du es, auch nach Jahren noch Qualität zu bieten

oder reicht ein guter Start, um aufgrund deiner großen Berühmtheit bis ans Lebensende herumgereicht und mit Engagements versorgt zu werden

Ist das beglückend

Tröstet dich eine gute Kritik, wenn du selbst unzufrieden mit deiner Leistung bist

Freut dich ein Lob, wenn es gleichzeitig dem viel schlechteren Kollegen gilt

Große Künstler zeichnen sich durch bedingungslose Hingabe an ihren Beruf und enorme Disziplin aus. Keinem von ihnen ist alles zugefallen. Gerade nach etlichen Jahren im „Betrieb“ bewähren sich die stabilen, belastbaren Persönlichkeiten, zeigt sich, wie klug der Berufsweg geplant und aufgebaut wurde, wie groß tatsächlich die Substanz ist, von welcher man im Idealfall einige Jahrzehnte lang zehren muss.

Oder verbrennt sich der wahre Künstler in wenigen Jahren

Gibt er alles in kurzer Zeit

Sind die soliden Handwerker, die beharrlich und unerschütterlich ihren Weg gehen, als Künstler überhaupt für voll zu nehmen

Kein Künstler kommt um Krisen herum. Wer immer alles konnte, denkt eines Tages nach, und plötzlich funktioniert gar nichts mehr. Private Probleme und körperliche Veränderungen wirken sich auf das Schaffen aus. Der fast schizophrene Spagat zwischen Sensibilität und Abgebrühtheit muss immer wieder bewältigt werden. Sobald du vor dem Auditorium stehst, darf alles, was belastet, keine Rolle mehr spielen, darf es höchstens in Form von Lebenserfahrung und Ausdruckstiefe in die Interpretation einfließen.

Was ist das Ziel einer Karriere

Ist Karriere ein Ziel

Macht Karriere glücklich

Ist das überhaupt eine sinnvolle Frage

Heißt die Entscheidung „Keine Karriere, weil Kind“

oder „Kein Kind, weil Karriere“

Heißt sie „Erst Karriere und dann Kind“

oder „Kinder trotz bzw. neben der Karriere“

Hast du Kindermädchen oder Großmütter, die so flexibel sind, mitzureisen, zumindest, solange die Kinder noch nicht schulpflichtig sind

Hast du jedes Engagement mitgenommen

oder hättest du deinen Weg ohne Kinder kompromissloser gehen können

Wirfst du ihnen das bewusst oder unbewusst vor

Fühlen die Kinder sich abgeschoben oder überbehütet

Verzichtest du auf ein gut bezahltes Engagement, weil das Kind Geburtstag hat

oder fehlst du bei der Einschulungsfeier, weil ein wichtiger Auftritt ansteht

Sagst du ein Konzert ab, wenn sich herausstellt, dass an diesem Tag dein Kind seine Abitur-Entlassung feiern wird

Singst du auch, wenn du angeschlagen bist

oder nur, wenn du dich in Topform fühlst

Was entgeht dir, wenn du krank bist oder Urlaub machst

Kannst du immer noch mehr verdienen, noch häufiger unterwegs sein

Wieviel Zeit planst du für das Leben, für Familie, Freunde, für dich ein

Wo setzt du deine Prioritäten

Ändert sich das im Laufe deiner Karriere

Werden dir Entscheidungen durch Agenturen oder familiäre Not aus der Hand genommen

Ein schlechtes Gewissen hast du immer – entweder der Familie, den Freunden oder dem Publikum gegenüber.

Wann bezeichnet man sich zu Recht als Künstler

Was ist eine künstlerische Leistung

Wie wichtig ist das Können, das reine Handwerk

Wo ist die Grenze zur Zirkusleistung, zum Kunsthandwerk

Wie kreativ, wie außergewöhnlich, wie originell, wie exhibitionistisch muss ein Künstler sein

Wie kommt es, dass einige den Sprung nach oben schaffen, aber so viele auf der Strecke bleiben

Niemand weiß, ob ein Talent als Sternschnuppe verglühen oder sich einen Platz als Fixstern am Himmel der Kunst erobern wird. So werden spätere große Stars in jungen Jahren verkannt, dagegen erweisen sich frühe Begabungen als Blindgänger, die sich in der Praxis und auf die Dauer nicht bewähren können oder gnadenlos verheizt werden. Wenn eine Stimme erst einmal kaputt ist, ist es kaum möglich, sie wieder zu retten.

Prüfungen unterscheiden sich grundsätzlich von Auftritten. Ob jemand eine Aufnahmeprüfung besteht, Stipendien erringt oder bei Wettbewerben gut abschneidet, sagt nicht unbedingt etwas darüber aus, ob dieser Kandidat auch im Opern- oder Konzertbetrieb bestehen kann.

Mit Musik etwas beweisen zu wollen, ist absurd – wie zeigt man, dass man „besser“ singt als andere?

Objektiv messbar sind Tonumfang, Virtuosität und Lautstärke, „schneller, höher, lauter, länger“ – Zirkus-Qualitäten, die zweifellos bestechend sind.

Textverständlichkeit kann man beurteilen, allerdings hat man es mit Sopranarien schwer gegen Tenor-Rezitative, ein klassischer Äpfel-und-Birnen-Vergleich – in langen Melismen gibt es keinen Text und in höheren Lagen sind Vokale aus physikalischen Gründen kaum noch unterscheidbar.

Intonation ist mir, die ich früher Geige gespielt habe, sehr wichtig, aber offenbar hat man sich damit abgefunden, dass diese bei vielen Sängern keine Rolle spielt. Nach einer Prüfung sprach ich meine Professorin fassungslos an, wie es sein könne, dass eine Kandidatin, die ständig zu tief sang, eine Auszeichnung bekam, woraufhin meine Meisterin verkündete: „Das haben 22 Professoren nicht gehört“. Ich war erschüttert.

Vibrato ja oder nein – da gibt es echte Grabenkämpfe. In der Alten Musik ist Vibrato natürlich verpönt, im Bereich der Oper geht es offenbar nicht ohne. Wie überall, ist das Maß entscheidend – die berühmte Quintenschleuder liebt fast niemand, starre Töne aber auch nicht.

Nach meiner ersten Gesangsstunde traf ich ein junges Mädchen, die stolz berichtete, sie „könne schon Vibrato“ – Von Stund an war ich verunsichert, ob ich „auch Vibrato kriegen würde“ und meinen Kindern später Gute-Nacht-Lieder nur noch vorjodeln könnte. Glücklicherweise kann ich aber auch nach über 30 Jahren immer noch schlicht singen, vielleicht sogar klarer denn je.

Ist eine Stimme schön oder nicht, soll sie überhaupt schön sein, oder ist reiner Schönklang viel zu glatt und langweilig, das bewertet jeder unterschiedlich.

Auch die „bürgerlichen Qualitäten“ wie Pünktlichkeit, gute Vorbereitung, vom Blatt und auswendig singen, mit anderen zusammen musizieren können, Instrumente spielen, Interesse an Literatur und Musikwissenschaft, kurz die gute alte „Bildung“ ist im Gesang nicht so wichtig wie man meinen könnte.

Violinisten, Pianisten, Organisten müssen von Kindheit an fleißig geübt haben, ein Sänger kann mit 16, 20 oder gar 25 Jahren entdecken, dass er „Stimme hat“ und noch eine veritable Karriere hinlegen.

Daher rührt das Klischee, dass Sänger nicht Noten lesen können – sie müssen eben nicht schon im Grundschulalter ihre musikalische Ausbildung begonnen haben, um später Gesang zu studieren.

Aber wie wichtig ist das Können, das reine Handwerk überhaupt?

Ungerechterweise ist die Wirkung der menschlichen Stimme ungleich eindrucksvoller als die jedes Instrumentes.

Die „Leistung“ von Pianisten, Organisten oder Violinisten ist, wenn man sie an dem Aufwand misst, der nötig ist, um die anspruchsvollen Kompositionen überhaupt einigermaßen „in die Finger“ zu bekommen, ungleich größer als die des Sängers. Instrumentalisten müssen viel länger studieren, mehr üben und differenzierter denken, trotzdem werden die Massen ihnen nie so zu Füßen liegen wie einem Heldentenor, werden selbst mittelmäßige Sopranistinnen leidenschaftlicher hofiert als die objektiv viel bessere Blockflötistin.

Die Namen der Gesangssolisten stehen groß auf Konzertplakaten, während die fleißigen Streicher oder die ununterbrochen aktive Continuogruppe länger proben müssen und nur einen Bruchteil der Sängergage erhalten.

Als junges Mädchen hätte ich gern Geige studiert, aber meine Geigenlehrerin gab zu bedenken, dass ich dafür jeden Tag drei Stunden üben sollte. Das schien mir völlig abwegig, also beschloss ich, Sängerin zu werden.

Was ich erst Jahre später begriff: Ein Sänger kann sein „Instrument“ nie weglegen. Er selbst ist das Instrument mit Körper, Geist und Seele, in jedem Augenblick. Ein Sänger hat keinen Feierabend, kein Wochenende, keine Ferien, er kann nicht einen Kasten zuklappen oder sich ein neues, besseres Instrument kaufen.

Obgleich es für die Bewertung von Gesangsleistungen objektive Kriterien gibt, reduziert sich das Urteil am Ende auf die „Ausstrahlung“, und damit wird es persönlich.

Ein Traum ist natürlich der Künstler, der die Bühne betritt und sie allein mit seinem Auftreten schon füllt. Dazu gehören Authentizität, Klarheit, Selbstbewusstsein und Haltung – die sogenannte Persönlichkeit.

Wer hat wirklich etwas zu erzählen, was weckt echtes Interesse

Über- oder unterschätzt du die Bedeutung dessen, was du zu sagen hast

Provozierst du Interesse, indem du aus allem ein Geheimnis machst

oder entzaubert es den Künstler, wenn jeder über deine mehr oder weniger geheimen Neigungen Bescheid weiß

man dich mit deinen irdischen Bedürfnissen und Schwächen wahrnimmt

Möchte man dem Star nah sein oder ihn von Ferne verehren

Wen beglückt Klatsch und Tratsch

Wer sucht die Öffentlichkeit, wer klagt gegen Paparazzi

Ist das Publikum interessiert, neugierig oder voyeuristisch

Der Künstler extrovertiert oder schon exhibitionistisch

Singt er mit offenem Herzen oder mit offener Hose

Bewegt die Zuhörer Sensationslust oder echte Anteilnahme

Wer lässt sich von Klischees beeindrucken

Singen in Bayreuth! Hochzeitsreise nach Paris! Urlaub in der Karibik! Shoppen in New York!

Wem imponiert man mit der Aussage: „Ich habe schon in China gesungen!“

Zu meinen Studienzeiten meinte jeder angehende Sänger, eine internationale Karriere vor sich zu haben. Laufbahnen, die „nur“ im Chor oder in Braunschweig endeten, waren undenkbar, es musste schon mindestens ein großes Opernhaus werden.

Konzertgesang eignete sich höchstens als lukrative Nebentätigkeit und für Hausfrauen, die ab und zu mal auftreten wollten, und natürlich würde man eines Tages das „schwere Fach“, sprich Wagner singen. Als Soubrette oder Spieltenor sah sich niemand, geschweige denn als Gesangslehrer!

Die jungen Studenten hörten Aufnahmen der „Konkurrenz“ und hechelten durch, was die „Großen“ alles falsch machten. Da stimmte kein Tempo, man verstand kein Wort, die Intonation war schlecht, der Klang nicht schön, die Stimme saß nicht, das Vibrato eierte, und Ausstrahlung hatte sowieso fast niemand.

In den Übezellen standen die angehenden Stars und brüllten sich heiser, im Vorraum saßen die Kommilitonen, warteten, bis sie an der Reihe waren, und lästerten über das, was sie aus den kleinen, überakustischen Räumen hörten.

Ob sich das heutzutage geändert hat? Mir wurde „damals“ ein Strick daraus gedreht, dass mein sehnlichstes Ziel war, im Rundfunkchor zu singen. Man wollte mir die Zulassung zur Diplomprüfung verweigern mit der Begründung, man bilde keine Chorsänger aus. Heute höre ich, dass man an der Hochschule feiert, wenn es einer der Studenten in einen Rundfunkchor „geschafft“ hat.

Wirst du mit zunehmendem Alter milder und erkennst eine Leistung auch als solche an, wenn sie nicht perfekt ist – vielleicht weil du selbst auf ein wenig Milde hoffst oder darauf angewiesen bist? Niemand wird schlechter, wenn du schlecht über ihn redest, und du selbst wirst auch nicht besser dadurch.

Oder bist du verbittert, weil du nicht den Weg gegangen bist, der dir gebührt hätte, weil Mann, weil Kind, weil Intrigen, weil die (Musik-) Welt einfach schlecht ist? Wie lange hoffst du noch, endlich entdeckt zu werden?

Aber selbst, wenn du ein hohes Niveau erreicht hast, bleibt der Kampf gegen die eigenen Maßstäbe. Niemand hat eine Sternstunde nach der anderen. Das Publikum und die Kritik sind gnadenlos, da interessiert es nicht, ob es dem Ausführenden gerade schlecht geht, er vielleicht eine schwere Trennung hinter sich oder einen lieben Menschen verloren hat, ob er von existenziellen Sorgen geplagt wird, gegen eine Grippe kämpft oder nachts nicht schlafen kann.

Was zählt, ist nur die Leistung, die jetzt abgeliefert wird, egal, ob du vor zwanzig Jahren im Konzertexamen eine Auszeichnung bekommen oder Preise in Wettbewerben errungen hast.

Oder reicht ein berühmter Name den Zuhörern doch, lassen sie sich mehr beeindrucken von dem, was sie lesen als von dem, was sie hören?

Die Ehrlichen unter den Musikanten müssen eingestehen, dass es immer Bessere geben wird. Selbst wenn du aktuell unübertroffen bist, gibt es da immer noch die Genies der Vergangenheit – eine Callas, ein Fritz Wunderlich oder der legendäre Caruso werden nie zu erreichen sein, da kannst du so toll sein, wie du willst.

Wir müssen unseren Platz, unsere Nische finden, dürfen uns nicht überbewerten oder unterschätzen.

Wir entscheiden, ob wir zufrieden sind mit dem, was wir erreicht haben, oder ob wir hadern, dass der große Durchbruch ausgeblieben ist.

Im Musikleistungskurs saß ich neben Christian Tetzlaff, meine Aufnahmeprüfung bestand ich zusammen mit Dorothea Röschmann, mit mir studierten Angela Denoke und Evelyn Herlitzius, ich habe also die Anfänge wirklich großer Künstler miterleben dürfen.

Mein eigener Weg hat mich aber nicht in die weite Welt, sondern von Krise zu Krise geführt. Meine Diplomprüfung habe ich „mit der Note bestanden bestanden“ – Das steht tatsächlich in meinem Diplomzeugnis – man hatte damals gerade die Noten abgeschafft und noch keine Formulare für die neuen Zeugnisse. In dem Alter, in welchem man „Karriere macht“, hatte ich mit meinem komplizierten Leben zu kämpfen.

Ich bin in keinem „inner circle“ gelandet, bin nicht vernetzt mit Kollegen an Hochschulen oder in Ensembles, man findet mich nicht bei Youtube, Facebook oder Twitter, meine CDs gibt es nicht bei Amazon, und ich bin kaum aus Hamburg herausgekommen – aber ich kann mir kein erfüllteres Leben vorstellen. Mein Leben passt genau zu mir.

Jede Tätigkeit ist Hobby. Das Suchen nach meiner Stimme erfüllt mich, jede Unterrichtsstunde genieße ich, jeden Schüler, jeden Dirigenten empfinde ich als Freund, meine „Arbeit“ findet überwiegend in meinem gemütlichen Zuhause statt, daher musste ich meine Kinder nur sehr selten „wegorganisieren“, ich konnte jeden Mittag zu Hause sein und an zahllosen Ausflügen teilnehmen.

Ich liebe es, Haus und Garten schön zu gestalten, sogar Putzen und Abwaschen macht mir Freude. Ich brauche keinen Abstand von irgendetwas oder irgendjemandem, daher müsste es meinetwegen auch keinen Urlaub geben.

Nach den Maßstäben meiner Studienzeit würde ich als „gescheiterte Existenz“ gelten, aber trotz vieler Sackgassen, existenzieller Sorgen und beruflicher Umwege hat kaum jemand so viel Grund zur Dankbarkeit hat wie ich. Ich lebe auf einer „Insel des Glücks“, weit ab von allem, was als wichtig gilt in der (Musik-) Welt. Wenn es kein Geld gäbe, würde ich nichts anderes machen, keine Stunde weniger singen oder unterrichten. Ich bin reich an innigen Begegnungen und intensiven Erlebnissen und weiß das in jedem Augenblick zu schätzen.

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